Regisseurin, Kostümbildnerin
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Mondlicht und Magnolien

 

Mondlicht und Magnolien

von Ron Hutchinson

Premiere
19.05.2019, Theater Hof

Bühne und Kostüm
Franziska Isensee

Darsteller*innen
Philipp Brammer, Marco Stickel, Dominique Bals, Julia Leinweber

Fotos
Harald Dietz

Presse:

Alphatiere, vom Wind verweht

Im Studio des Theaters Hof stellt “Mondlicht und Magnolien” aufs Amüsanteste einen Kinoklassiker und seine Entstehung nach.

Michael Thumser, Frankenpost 20.05.2019

Hof - Das Buch soll schlecht sein? Immerhin heulte eine Million Amerikaner, vor allem weibliche, Rotz und Wasser dabei. Ben Hecht hat’s nicht gelesen. Macht nichts. Hecht, im Jahr 1939 der Wunderknabe unter Hollywoods Drehbuchschreibern, sagt zu, dennoch aus dem 1034-Seiten-Wälzer "Vom Winde verweht" ein filmreifes 130-Seiten-Skript zu destillieren. Binnen fünf Tagen. So viel Zeit muss sein.

Ein fensterloses Büro im Studio des Theaters Hof; darin drei Herren, Wind säend, Sturm erntend, eingeschlossen wie in einem Gefängnis. Auf dem Podium, mit dem Ausstatterin Franziska Isensee die Spielfläche erhöht hat, imponiert ein schwerer Schreibtisch. Dahinter thront David O. Selznick, der Produzent, es sei denn, er nimmt sich mit Riesenfäusten gerade seinen störrischen Autor zur Brust oder stellt sich mit Riesenschritten Victor Fleming, dem Regisseur, in den Weg. Der hält Margaret Mitchells Bürgerkriegs-Bestseller rundweg für ein "schlechtes Buch" und das sündteure Filmprojekt für einen "Rohrkrepierer". Leben oder Tod: Gelingt Selznick mit "Vom Winde verweht" nicht der "größte Film aller Zeiten", geht er baden, und die zwei andern mit.

Das alles klingt so verrückt, dass man’s kaum glauben möchte. Aber so - oder zumindest ein bisschen in der Art - trug sich vor achtzig Jahren die Entstehungsgeschichte des Kinoklassikers zu. Auch wer ihn oder die Romanvorlage nicht kennt, muss keinen Bogen ums Theater machen: wird doch dort - seit der herzlich belachten Premiere am Sonntag - die Handlung in ausgewählten Szenen durchgespielt, noch dazu viel, viel lustiger als auf der Leinwand.

"Mondlicht und Magnolien": Um Ron Hutchinsons von Sarkasmus funkelnde Komödie in Schwung zu bringen, lässt Regisseurin Jasmin Sarah Zamani gleich am Anfang das Gas der Clownerie voll durchtreten. Pausenlos an- bis überspannt gehen ihre Akteure aufeinander los und nach "fünf Tagen", will sagen: nach anderthalb Stunden voller schonungsloser Debatten und grundstürzender Stimmungsumschwünge doch noch gemeinsam durchs Ziel. Bis dahin freilich hat das verbale und haptische Stör-, Sperr- und Trommelfeuer der drei die Gemüter und Klamotten, Selbstachtung und Schnapsvorräte niedergemacht.

Marco Stickel, nicht einfach als Komiker, sondern als Komödiant von geschliffener Charakterschärfe, gibt den arroganten Ben als Hecht im Karpfenteich. Denn auch die andern beiden sind keine kleinen Fische im Haifischbecken Hollywood. Als Regisseur stimmt Dominique Bals die Seelenklage der unverstandenen Koryphäe an, die erdulden muss, wie "270 Kompromisse" einen kinematografischen Geniestreich verhunzen. Philipp Brammers Selznick, das Fußvolk um Haupteslänge überragend, ist schon physisch eine Wucht, wenn er "das Geld, die Vision und den Willen" aus sich herausschwitzt. Tagträumend greift er sich und dem Zuschauer ans Herz mit seinem Hohen Lied auf Opas Kino, das durch nichts als "Lichtpünktchen auf Zelluloid" das Volk an übermenschliche Gefühle glauben macht.

Drei Alphamännchen: Unter ihnen verbreitet Julia Leinweber als Vorzimmerdame - mit buchstäblich hervorragendem Po über endlosen Beinen betont feminin - ein betont unfeministisches Fluidum. Bis zu "#MeToo" waren damals, in den Dreißigern, noch achtzig Jahre Zeit.


Zum Theater Hof
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